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Gewaltfreie Arbeit:

Arbeit der Zukunft?

30.11.2021 - 02.12.2021

Thema

Gewalt am Arbeitsplatz – nicht nur, aber besonders gegenüber Frauen – ist seit Jahren ein wichtiges Thema, das durch die Me-too-Bewegung noch verstärkte Aufmerksamkeit erlangt hat. Wie können die Bemühungen zur Reduktion von Gewalt am Arbeitsplatz gestärkt werden? Welchen Beitrag können dazu das Übereinkommen 190 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die „Istanbul-Konvention“ des Europarates leisten?

 

Rückblick

Mit diesen Fragen beschäftigten sich rund 100 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der gesellschaftlichen Praxis und der Wissenschaft. Dabei wurde die Ankündigung der neuen Bundesregierung begrüßt, das Übereinkommen 190 der ILO ratifizieren zu wollen. Das Übereinkommen könnte es ermöglichen, mehr Aufmerksamkeit in den Betrieben auf das Thema zu lenken und bestehende Regelungslücken zu schließen. Dies könnte die Kooperation der Sozialpartner auch im Rahmen der Mitbestimmung auf diesem Gebiet erleichtern. Davon können durchaus auch die Arbeitgeber profitieren, gewinnt die Attraktivität des Arbeitsplatzes im Wettbewerb um die knapper werdenden Fach- und Arbeitskräfte zunehmend an Bedeutung.

Medien

 

 

Aus der Tagung ging das folgende Gespräch des Evangelischen Pressedienstes (EPD) mit der Sozialrechtlerin Prof. Dr. Ursula Rust, bigas Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen1 hervor:

Sozialrechtlerin: „Nur gewaltfreie Arbeit ist gute Arbeit“

epd-Gespräch: Martina Schwager

Loccum, Bremen (epd). Geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz ist nach Ansicht von Fachleuten trotz der „Me too“-Bewegung noch immer ein Problem, das zu wenig bekannt ist und gegen das zu selten vorgegangen wird. „Nicht nur die Gesellschaft, sondern jeder einzelne, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte sind gefordert, einzuschreiten“, sagte die Sozialrechtlerin Ursula Rust am Dienstag in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch die Folgen würden unterschätzt. Wer unter Gewalt am Arbeitsplatz leide, könne sein Potenzial nicht ausschöpfen und sogar erkranken. „Nur gewaltfreie Arbeit ist gute Arbeit“, betonte Rust.

Gewalt müsse so definiert werden, dass dabei immer die Perspektive des Opfers oder der Betroffenen eingenommen werde, sagte Rust. Wenn etwa ein Mann seiner Kollegin auf den Po haue, sei es entscheidend, ob sie das als Belästigung empfinde, selbst wenn er dies nicht beabsichtigt habe. Auch ein Chef, der Mitarbeiterinnen wegen Fehlern bloßstelle, übe Gewalt aus und beeinträchtige deren Arbeitserfolge. Ebenso könne Überforderung eine Form von Gewalt darstellen. Rust ist eine der Organisatorinnen der Tagung „Gewaltfreie Arbeit“ der Evangelischen Akademie Loccum, die am Dienstag begonnen hat. Noch bis Donnerstag tauschen Wissenschaftlerinnen und Praktiker, etwa aus Beratungsstellen, dort ihre Erkenntnisse aus.

Die zunehmende Digitalisierung und wachsende Flexibilisierung von Arbeitszeiten können zu Überlastungen führen. Auch das könne eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt darstellen, auf die manche Angestellte mit einer Burnout- Erkrankung reagierten, erläuterte die Professorin am Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht. Wichtig für die Prävention in Betrieben sei eine Gefährdungsbeurteilung, die auch branchenspezifisch angelegt sein müsse. Denn im Büro lauerten andere Gefahren als etwa in der Industrie, im Handwerk oder in kreativen Berufen. Zudem müsse auch die andere Seite in den Blick genommen werden: „Was können wir tun, damit Täter nicht mehr Täter sind.“

Das Übereinkommen 190 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, das Deutschland noch nicht ratifiziert habe, biete neue Ansätze, auch das Thema häusliche Gewalt im Zusammenhang mit der Arbeitswelt zu betrachten. In der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass etwa das Homeoffice zu einer Zunahme der Fälle von häuslicher Gewalt geführt habe. Zudem leide die Arbeitsfähigkeit von Frauen, die zu Hause von ihren Männern geschlagen würden. „Alle Kolleginnen und Kollegen und die Arbeitgeber haben die Folgen zu tragen.“ Betriebe sollten ihre Mitarbeiter sensibilisieren und eigene Strukturen auch für anonyme Gesprächsangebote schaffen.

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Programm

Dienstag, 30.11.2021
15:30 Uhr
Begrüßung und Einleitung

Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum
Prof. Dr. Ursula Rust, bigas Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen1
Dr. Ruth Abramowski, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität
Bremen

15:45 Uhr
Gewalt, Arbeit, Gender – Worüber sprechen wir?

Moderation: Dr. Joachim Lange, Loccum

-
Was ist Gewalt – im soziologischen Kontext von Gender und Arbeit?

Dr. Ruth Abramowski, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen

-
Was verstehen wir unter Arbeit – wenn wir über Gender und Gewalt sprechen?

Prof. Dr. Karin Gottschall, Leitung, Abteilung Ungleichheitsdynamiken in Wohlfahrtsgesellschaften, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen

-
Was verstehen wir unter Gender – wenn wir über Gewalt und Arbeit sprechen?

Dr. Arn Sauer, Direktor, Bundesstiftung Gleichstellung, Berlin

16:55 Uhr
Kaffeepause

17:10 Uhr
Gemeinsame Diskussion

Moderation: Dr. Joachim Lange, Loccum

eingeleitet durch ein Statement von
Laura Wolters, Hamburger Institut für Sozialforschung

18:30 Uhr
Abendessen

19:30 Uhr
ILO-Konvention 190 und Istanbul-Konvention: Welche neuen Chancen bieten internationale Rechtsnormen gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Arbeit und Familie?

Moderation: Prof. Dr. Konstanze Plett, bigas Bremer Institut für Gender- Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen

Dr. h.c. Anne Trebilcock, Universität Göttingen
Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Lehrstuhl für Strafrecht, Rechtsphilosophie/Rechtstheorie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Gemeinsame Diskussion mit
Dr. Fatma Karakaş-Doğan, bigas Bremer Institut für Gender- Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen

Mittwoch, 01.12.2021
08:15 Uhr
Einladung zur Morgenandacht, anschl. Frühstück

09:30 Uhr
Gewalterfahrungen (bei der Arbeit) in einer Lebenslaufperspektive

Moderation: Prof. Dr. Simone Scherger, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt lebenslauforientierte Sozialpolitik, SOCIUM, Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen

-
Gewalterfahrungen im Lebenslauf

Prof. Dr. Renate Klein, Human Development & Family Studies, University of Maine, Orono

-
Gewalterfahrung im Lebenslauf: Wissen über Täter

Prof. Dr. Thorsten Fehr, Department of Neuropsychology and Behavioural Neurobiology, Universität Bremen

-
Care und Gewalterfahrungen

Prof. i.R. Dr. Margrit Brückner, Professur für Soziologie, Frauen- und Geschlechterforschung und Supervision, Frankfurt University of Applied Science

10:50 Uhr
Kaffeepause

11:10 Uhr
Internationalisierung und Digitalisierung von Arbeitskontexten

Moderation: Yasemin Say, bigas Bremer Institut für Gender- Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen

-
Menschenhandel und Ausbeutung als Risikofaktor für Gewalterfahrung: Ein Problem in vielen Sektoren

Andrea Hitzke, Leiterin, Dortmunder Mitternachtsmission und Vorstand, KOK Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel, Berlin

-
Neue Ungleichheiten und Gewaltpotenziale in der digitalen Transformation der Arbeit

Dr. Sylke Meyerhuber, artec Forschungszentrum Nachhaltigkeit, Universität Bremen1

-
Welche Handhabe bieten Lieferkettengesetz und CSR gegen Gewalt bei der Arbeit?

Hon. Prof. Dr. Birgit Spießhofer, M.C.J. (NYU), Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen

12:30 Uhr
Mittagessen

13:45 Uhr
Rechtliche Aspekte von Schutz und Prävention am Arbeitsplatz

Moderation: Wiebke Blanquett, bigas Bremer Institut für Gender- Arbeits- und Sozialrecht, Universität Bremen

Vanessa von Wulfen, Lehrstuhl Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht, Zivilverfahrensrecht, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

Gemeinsame Diskussion mit
Dr. Sylke Meyerhuber, Bremen

-
Rechtliche Aspekte von Schutz und Prävention vor Gewalt in Ausbildung und Hochschulen

Moderation: Prof. Dr. Ursula Rust, bigas Bremer Institut für Gender- Arbeits- und Sozialrecht, Univ. Bremen

Prof. Dr. Katja Nebe, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Gemeinsame Diskussion mit
Prof. Dr. Renate Klein, Orono
Anneliese Niehoff, Vorstand bukof und Referat Chancengleichheit/Antidiskriminierung, Universität Bremen

15:30 Uhr
Kaffeepause

16:00 Uhr
Prävention und Schutz bei Care-Arbeit aller Art

Moderation: Dr. Lara Minkus und Dr. Sonja Bastin, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen

Gemeinsame Diskussion mit:
Prof. Dr. Kyoko Shinozaki, Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie, Universität Salzburg
Dr. Jennie Auffenberg, Arbeitnehmerkammer Bremen
Andrea Hitzke, Dortmund
Dr. Ruth Abramowski, Bremen
Prof. i.R. Dr. Margrit Brückner, Darmstadt

18:30 Uhr
Abendessen

19:30 Uhr
Prävention und Gewaltschutz in Kommunen

Moderation: Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum

Prof. Dr. Sabine Stövesand, Department Soziale Arbeit, HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Gemeinsame Diskussion mit:
Nora Stein, Koordinierungsstelle „Häusliche Gewalt“ beim Landespräventionsrat Niedersachsen

21:00 Uhr
Gelegenheit zum informellen Austausch

Donnerstag, 02.12.2021
08:15 Uhr
Einladung zur Morgenandacht, anschl. Frühstück

09:30 Uhr
Gewaltfreie Arbeit – Arbeit der Zukunft: Welche Handlungsperspektiven gibt es?

Abschlussdiskussion
Moderation: Dr. Joachim Lange, Loccum
mit Eingangsstatements von

Elke Hannack, stv. Vorsitzende, Deutscher Gewerkschaftsbund DGB, Berlin
Dr. Annette Niederfranke, Direktorin, ILO-Vertretung Deutschland, Berlin
Anneliese Niehoff, Vorstand bukof und Referat Chancengleichheit/Antidiskriminierung, Universität Bremen

12:30 Uhr
Ende der Tagung mit dem Mittagessen

-

Das interdisziplinäre Forschungslab Violence, Age, Gender VAG ist Mitglied der Forschungsplattform WOC Worlds of Contradiction der Universität Bremen.

Ziel des Labs ist es, nationales und internationales Wissen über Vorkommen und Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung im öffentlichen, institutionellen sowie auch privaten Raum interdisziplinär zusammenzuführen, um daraus weitere Forschungsfragen abzuleiten sowie Strategien zur Gewaltprävention zu entwickeln.

Im VAG kooperieren Wissenschaftler:innen aus folgenden Instituten:

bigas
Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht

socium
Forschunszentrum Ungleichkeit und Sozialpolitik

artec
Forschungszentrum Nachhaltigkeit

Mitglieder des VAGs sind:
Dr. Ruth Abramowski, Wiebke Blanquett, Prof. Dr. Thorsten Fehr, Dr. Fatma Karakaş-Doğan, Dr. Sylke Meyerhuber, Prof. Dr. Konstanze Plett, Dr. Sabine Ritter, Prof. Dr. Ursula Rust, Yasemin Say, Prof. Dr. Simone Scherger, Prof. Dr. Ines Weller, Prof. Dr. Betül Yarar