Ob in Gesellschaft, Politik oder Kirche: Es herrscht große Uneinigkeit darüber, wie und wo genau in Zukunft die Beihilfe zum Suizid erlaubt sein soll. Auch Ralf Meister und Verena Begemann vertreten stellenweise unterschiedliche Positionen und wollen dazu in der Neustädter Hof– und Stadtkirche St. Johannis mit der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen.
„Wir brauchen den Dialog, die Begegnung auf Augenhöhe und mitmenschliche Wärme und Nähe, um so viele Suizide wie möglich zu verhindern. Wir müssen reden!“, fordert Prof. Dr. Verena Begemann. Sie ist Professorin für Ethik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Hannover. Schwerpunkt ihres Wirkens sind die Hospizarbeit, das Ehrenamt in der Palliativversorgung, Soziale Arbeit in Palliative Care sowie Tod und Sterben.
Ralf Meister, Landesbischof der Landeskirche Hannovers, prägten eigene Erfahrungen. „Ich habe während meines Studiums monatelang im Wechsel mit meinem Bruder Nachtwachen bei einem alten Mann mit zahlreichen Krankheiten gemacht. Dieser alte Herr konnte vor Schmerzen nicht schlafen und wünschte nur zu sterben. Und er brüllte seinen Todeswunsch die Nächte durch.“ Daher wünscht Meister sich, dass über das Thema Sterbehilfe offen diskutiert wird, auch in den Kirchen.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber im Februar 2020 aufgefordert, eine neue Regelung für den assistierten Suizid zu schaffen und hat damit den bisherigen Paragraphen 217 abgeschafft. Das höchste deutsche Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass die Freiheit zum Suizid auch die Freiheit zur Inanspruchnahme von Hilfe einschließen muss. Zudem hat das Gericht entschieden, dass dieses Recht nicht an bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen gebunden ist. Es steht jeder volljährigen Person immer offen.
Wie sollen Gesellschaft und Kirche nun damit umgehen? Der Selbstbestimmung des Einzelnen, die vom Verfassungsgericht sehr gestärkt wurde, steht der Lebensschutz gegenüber. Schließlich sollte sich aus dem Angebot der Suizidbeihilfe kein Normalfall entwickeln, der dann im schlimmsten Fall hilfsbedürftige Menschen moralisch unter Druck setzt, ihr Leben zu beenden, da sie sonst vermeintlich nur noch zur Last fallen.
Auch für die kirchlich-diakonischen Einrichtungen stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie konkret sie mit der grundsätzlich neuen Regelung umgehen können. Manche evangelische Theologen und Ethiker sprechen sich klar für das Angebot einer Suizidhilfe auch in kirchlich-diakonischen Einrichtungen aus. Andere lehnen sie rundheraus ab, da sie einen gefährlichen Dammbruch zur Normalität des assistierten Suizids befürchten.
Zur Diskussion rund um dieses emotionale und komplexe Thema lädt die Evangelische Akademie Loccum für den 16. September, 19:00 Uhr, in die Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis ein. Die Veranstaltung moderiert Annette Behnken, Pastorin und Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Loccum für das Arbeitsfeld „Religiöse Praxis in der Gegenwartskultur“. Besucherinnen und Besucher können Fragen an das Podium richten. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird unter Telefon: 05766 81-121 oder E-Mail: sabine.loges@evlka.de, gebeten.
Aufgrund der weiterhin bestehenden Pandemie haben ausschließlich auf Covid 19 getestete, genesene oder geimpfte Personen mit jeweiligem Nachweis Zutritt zur Veranstaltung.
Weitere Informationen finden Sie auch unter: https://www.loccum.de/tagungen/21203/
Loccum, 9. September 2021
Presse-Information als PDF: PI_Streitgespräch_Suizid_Ev. Ak. Loccum_final