Aus der Tagung Psychische Kinder- und Jugendgesundheit ernst nehmen und verbessern vom 27.02. bis 01.03.2023 ist ein Bericht des Evangelischen Pressedienstes (epd) hervorgegangen, den Sie hier lesen können:
Loccum (epd). Experten aus dem Bildungsbereich fordern mehr gezielte Anstrengungen, um sogenannte Schulvermeider wieder ins Bildungssystem zurückzuführen. „Es gibt Jugendliche, die sind zwei Jahre nicht zur Schule gegangen, ohne jede Konsequenz“, sagte der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Andreas Rudolf im Rahmen einer Fachtagung in der Evangelischen Akademie Loccum. „Bei diesen Jugendlichen besteht ein großes Risiko für Drogenmissbrauch, Arbeitslosigkeit und Straffälligkeit“, ergänzte der Leiter einer Station für Schulvermeider am Ameos Klinikum Hildesheim.
Die meisten Kinder und Jugendlichen gingen aus Angst nicht zur Schule, sagte Rudolf auf der Tagung unter dem Titel „Psychische Kinder- und Jugendgesundheit ernst nehmen und verbessern“. Er selbst habe es vor allem mit Jugendlichen mit Sozialphobien zu tun. Sie hätten Angst, im Mittelpunkt zu stehen und zum Beispiel ein Referat zu halten, fürchteten die Bewertung ihrer Leistungen und würden wegen Bauch- oder Kopfschmerzen oft entschuldigt.
Im Klinikum würden unter anderem Alltagssituationen geprobt. Zu dem zwölfwöchigen stationärem Programm gehöre, dass die Jugendlichen nach acht Wochen wieder beginnen, zur Schule zu gehen, wobei die Zeiten langsam gesteigert werden. „Zwei Monate nach der Entlassung bei uns besuchen 80 Prozent wieder regelmäßig die Schule“, sagte Rudolf.
Für ihn ist entscheidend, dass die Schulen frühzeitig auf Fehlzeiten reagieren. Dazu gehört die genaue Dokumentation der unentschuldigten Tage. Nach fünf Fehltagen sollte das Gespräch mit den Eltern gesucht und auch vor der Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht zurückgeschreckt werden. Zudem sollte bei längeren Fehlzeiten ein ärztliches Attest verlangt werden.
Die Direktorin der Integrierten Gesamtschule Burgdorf, Saskia van Waveren-Matschke, sagte, an ihrer Schule sei seit einem Jahr ein Sozialarbeiter nur für die Betreuung von Schulverweigerern zuständig. Dabei würden auch die Eltern zu Hause besucht. „Wir reagieren sofort. Viele Eltern sind sehr dankbar für ein Gespräch, denn sie wissen oft einfach nicht mehr weiter.“ Durch den besseren Kontakt zu den Eltern habe sich die Zahl der Schulverweigerer stabilisiert.
Auch Berufsschulen haben es den Experten zufolge oft mit Schulvermeidern zu tun. An der Anna-Siemsen-Schule der Region Hannover bietet man ihnen eine Alternative an: Statt den Unterricht zu besuchen können sie ein zwölfmonatiges Praktikum machen, zum Beispiel im Friseurhandwerk, in einer Kindertagesstätte oder im Handel. Ein Dutzend von insgesamt 1.500 Schülern nutzen diese Möglichkeit. „Die meisten von ihnen schaffen das Langzeitpraktikum bis zum Ende“, sagte Schulsozialarbeiterin Isabell Wittig-Dase.