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Jugendbildung und digitale Akademie

Ein Beitrag von Studienleiterin Simone Schad-Smith

Mit Spannung verfolge ich die für heute anberaumten Gespräche der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder, die Klarheit bringen sollen, wie das schulische Leben nach der Coronapause um Ostern wieder aktiviert werden soll. Werden die Länder den Empfehlungen der Leopoldina folgen, die über die Feiertage diskutiert wurden? Wird die Wiederaufnahme schrittweise erfolgen, in kleinen Gruppen, mit Mundschutz? Werden erst die älteren Schüler*innen wieder an den Start gehen und die, die unmittelbar vor einem Schulwechsel stehen? Gehen erst wieder die Grundschüler*innen zur Schule, weil sie das soziale Miteinander „am meisten brauchen“ und „mit dem digitalen Lernen“ überfordert sind?

Der Schulleiter meiner Tochter informiert uns Eltern schon einmal vorsorglich, dass die Schulschließungen auch über den 19.4. hinausgehen können und damit beim Thema Digitalisierung ordentlich das Tempo angezogen werden muss. Er hofft, dass die Schule zügig in eine Form des digitalen Unterrichts einsteigen kann und bittet darum, gelassen und geduldig bei diesen ersten Schritten zu sein. Gerade in der Anfangszeit müsse mit Kompromissen gelebt werden, weil das digitale Lernen von technischen Rahmenbedingungen abhängig sei, die gerade erst organisiert werden müssen. Für Anfang Mai ist der vorzeitige Start der niedersächsischen Bildungscloud geplant, mit der dann vieles gebündelter und einfacher für die Schulen werden soll.

Neue Rahmenbedingungen, Klärungen und Kompromisse – damit sind auch wir außerschulischen Bildungsakteure derzeit täglich befasst. Wir stellen uns die Frage, wie wir angesichts der Vielzahl abgesagter Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen bis zu den Sommerferien unserer Aufgabe der gesellschaftspolitischen Jugendbildung nachkommen können. Wie schnell können wir handlungsfähig werden? Was brauchen die Schulen derzeit und was können wir anbieten? Welche technischen Rahmenbedingungen brauchen wir? Welche Programme erfüllen die Datenschutzbestimmungen, womit dürfen die Schulen arbeiten?

Klar im Vorteil ist, wer bereits vor der Krise Methoden des „blended learnings“, Analoges und Digitales zusammen, eingesetzt hat. Die anderen bewegen sich jetzt vorsichtig und in kleinen Schritten auf neues Terrain. Unsere Stärke ist die Begegnung von Menschen, der Dialog. Unsere Angebote für junge Menschen sind beteiligungsorientiert und leben vom Widerspruch. Lässt sich dieser Anspruch auch digital umsetzen und wie gestalte ich das?

Wir sind alle Lernende, beruhigte Thomas Krüger, der Leiter der Bundeszentrale für Politische Bildung, neulich in einem Onlinegespräch mit Kolleg*innen zu neuen Formaten politischer Bildung. Viele von uns benutzten derzeit – aus Ermangelung von Wissen oder Praxis – digitale Plattformen, deren Datenökonomie wir unter anderen Bedingungen kritisieren und ablehnen würden. Aber vielleicht träfen wir hier, bei Instagram oder Youtube, bei Zoom und Co., gerade in diesen Zeiten unsere Zielgruppe.

Ich habe die Wahl: Ich kann mich davor fürchten, Fehler zu machen und auf die Zeiten hoffen, in denen wir unsere unverwechselbare Begegnungsarbeit in der Akademie und in Kooperation mit Schulen wieder aufnehmen werden. Ich kann aber auch die Herausforderung annehmen, vor die uns die Coronakrise gestellt hat, und die Zeit nutzen, um dazu zu lernen und Neues auszuprobieren – getreu dem biblischen Motto „Prüft alles, das Gute behaltet.“

Nichts kann den direkten Austausch von Menschen bei uns in Loccum ersetzen. Doch sind wir in Zeiten des „physical distancings“ dazu aufgerufen, Dinge neu und anders zu gestalten. Aus dreitägigen Veranstaltungen in Loccum werden so modulare, kürzere Angebote, die auf die Bedürfnisse von Jugendlichen und die derzeitigen schulischen Rahmenbedingungen abgestimmt sind.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann dies: dass es gelingt auf diesen neuen Pfaden das bereits vorhandene digitale Knowhow meiner Zielgruppe zu erkennen und zu nutzen. Im Umgang mit neuer Software sind sie versierter, experimentierfreudiger und unbekümmerter als ich es je sein werde. Davon möchte ich mir persönlich eine Scheibe abschneiden. Ich möchte gemeinsam mit Jugendlichen neue Formate politischer Bildung ausprobieren, die Mitarbeit ermöglichen und Spaß machen.

Ende April habe ich Gelegenheit dazu. Schüler*innen des Göttinger Hainberg-Gymnasiums werden mit unserem langjährigen Referenten Prof. Paul Rundquist zu den US-Wahlen 2020 und zur derzeitigen Coronasituation in den USA per Videokonferenz ins Gespräch kommen Rundquist hat mehr als dreißig Jahre für den wissenschaftlichen Dienst des US-Kongresses gearbeitet und ist ein ausgewiesener Kenner des politischen Systems der USA. Er war Fulbright-Professor in Polen, auf den Philippinen sowie in Deutschland und Lehrbeauftragter an der London School of Economics. Nach wie vor ist Rundquist an der Universität Halle-Wittenberg tätig. Von einer Reise in seine Heimat USA, auf der er ursprünglich die Primaries der Demokraten verfolgen wollte, konnte er aufgrund der Coronakrise nicht nach Deutschland zurückkehren. Er wird uns von Ocean City, Maryland, aus zugeschaltet sein.

In unserem Corona Blog schildern Studienleiter*innen der Akademie und der Akademie als Referent*innen verbundene Persönlichkeiten ihre Wahrnehmungen zur Coronakrise. Aus den verschiedenen interdisziplinären Arbeitsbereichen entsteht damit eine multiperspektivische Sicht, die in der Krise Orientierung bieten kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie die Akademie ihre Arbeit auf diese Ausnahmesituation anpasst.

 

Simone Schad-Smith ist Studienleiterin für die Loccumer Schülertagungen