Überlegungen von Dr. Julien Thorel zum Thema finden sich auch in seinem Beitrag zu unserem Europa-Blog hier.
Wendepunkt der bilateralen Beziehungen in der Coronakrise?
Dritte Folge der Online-Veranstaltungsreihe "Virtueller deutsch-französischer Austausch"
09.06.2020
Das Thema:
Die Corona-Pandemie hat auch die deutsch-französischen Beziehungen vor eine Belastungsprobe gestellt. Unabgestimmte Grenzschließungen haben regional zu Irritationen geführt und die Debatte über die wirtschaftspolitische Reaktion auf die Krise – insbesondere über sog. „Coronabonds“ – hat alte wirtschaftspolitische Dispute aufbrechen lassen. Am 18.5. haben dann aber Kanzlerin Merkel und Präsident Macron die „deutsch-französische Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Coronakrise“ vorgestellt. Ist diese Initiative das Zeichen dafür, dass es Frankreich und Deutschland (wieder einmal) gelingt, bestehende Gegensätze in einem konstruktiven Prozess zu bearbeiten? Strahlt diese Initiative auch auf andere Politikfelder der bilateralen Beziehungen aus? Welche Chancen haben Frankreich und Deutschland die Kritiker in Europa zu überzeugen? Wie wird die Europäische Kommission, die ihre Vorstellungen zur Krisenbekämpfung mittlerweile auch vorgestellt hat, die Vorschläge fortführen?
Die Veranstaltungsreihe:
Die Corona-Krise ist auch ein Stresstest für Europa und die deutsch-französischen Beziehungen. Die rencontres virtuelles francoallemandes wollen als eine Reihe von Online-Veranstaltungen Gelegenheit zum Blick über die Landesgrenzen geben und fragen, welche gemeinsamen Bemühungen zur Überwindung der Krise in Europa beitragen können.
Während die Finanz- und Wirtschaftsminister der EU den Aufbauplan nach der Corona-Krise virtuell erörterten, diskutierten – ebenfalls online – rund 30 Personen die deutsch-französische Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Coronakrise, die wichtige Impulse für den von der EU-Kommission vorgelegte Aufbauplan gegeben hat. Einigkeit wurde dahingehend erzielt, dass die besondere Situation besonderer Maßnahmen bedürfe, die wie z.B. eine Verschuldung der EU zur Finanzierung der Maßnahmen, auf die aktuellen Probleme fokussiert bleiben müsse und nicht zu einer Vergemeinschaftung aller staatlicher Schulden führen dürfe. Auch solle die Rückzahlung der Schulden schon heute konkret in den Blick genommen werden. Insbesondere Erlöse aus einer CO2-Bepreisung böten sich dafür an.
Neben dem Fonds zur wirtschaftlichen Erholung sieht die Initiative aber noch weitere wichtige Punkte vor. Hierzu zählt die Erarbeitung einer EU-„Gesundheitsstrategie“. Dieses Vorhaben könnte dadurch nicht gerade vereinfacht werden, dass die EU in diesem Bereich keine Kompetenzen hat. Hier entspann sich eine kleine Kontroverse darüber, was einerseits eigentlich sachlich erforderlich wäre, andererseits aufgrund der rechtlichen und politischen Situation realistischerweise schwierig zu realisieren sein wird.
Größere Einigkeit herrschte hinsichtlich der ausdrücklichen Begrüßung der Forderung nach einer Beschleunigung von Green Deal und Digitalisierung. Spannend werden die Debatten um die Industriepolitik, wo sich zwar eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich abzeichnet, die aber innerhalb Deutschlands durchaus kontrovers diskutiert wird.
Insgesamt wurde begrüßt, dass sich Deutschland und Frankreich auf eine gemeinsame Initiative verständigt haben, da nach dem doppelten Wahljahr 2017 die Kommunikation zeitweise etwas ins Stocken geraten schien. Damit wurde die Hoffnung verbunden, dass durch die Initiative auch der Politik in der EU, die mehr denn je durch Gegensätze zwischen manchen Mitgliedstaaten geprägt ist, ein neuer Impuls gegeben wird.
Überlegungen von Dr. Julien Thorel zum Thema finden sich auch in seinem Beitrag zu unserem Europa-Blog hier.
Laure Dréano-MayerAntenne Métropole
Jan-Christoph Oetjen MdEPBrüssel / Hannover
Dr. Julien ThorelcepFrance, Paris
Moderation:Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum