Seit sechs Jahren bewirbt sich die Evangelische Akademie Loccum erfolgreich als Einsatzstelle für das FSJ-Politik. Das Freiwillige Soziale Jahr ist ein Engagementjahr, in dem junge Menschen Erfahrungen sammeln, sich orientieren und entwickeln können. Sandra, Tammo, Felix, Anton, Matthias und Clara, die wir bisher begleiten durften, lockte jeweils das gesellschaftspolitisch weit aufgefächerte Arbeitsspektrum der Akademie nach Loccum.
Während ihres Einsatzes assistieren die Freiwilligen bei der Vorbereitung und Durchführung einiger der ca. 80 Tagungen im Jahr, die unter der Verantwortung der Studienleiter*innen geplant und durchgeführt werden. Die FSJ-ler*innen begegnen mit den Referierenden und Teilnehmenden der Tagungen Akteuren und Netzwerken aus vielen verschiedenen Bereichen. Sie können Erfahrungen, Wissen und Kompetenzen zur beruflichen und persönlichen Qualifizierung erwerben und erweitern. Die FSJ-ler*innen wirken in allen Arbeitsbereichen mit und werden von einzelnen Studienleiter*innen intensiv begleitet.
Unter „normalen Umständen“ ist das zweite Halbjahr des Einsatzes für die Freiwilligen von besonderer Bedeutung, da sie dann mit den Arbeitsabläufen vertraut sind und bei Tagungen assistieren, an deren Vorbereitung sie beteiligt waren. Zudem finden in dieser Zeit häufig mit Gästen der Akademie und den Studienleiter*innen orientierende Gespräche über die Wahl des Studiengangs und -ortes statt. Die Corona-Pandemie hat den Einsatz von Clara Dehlinger abrupt um wichtige 5,5 Monate gekürzt. Ab Mitte März musste Tagung um Tagung abgesagt werden. Die Arbeiten wurden in das Homeoffice verlegt. Kolleg*innen übermittelten Clara nach Möglichkeit weiterhin Aufträge, die mit „ländlichem WLAN“ abgearbeitet werden konnten. Als Teil des Kollegiums erlebte sie in den wöchentlichen Zoom-Meetings, wie die Akademie die Krise zu handhaben versuchte. Der Kontakt wurde über wöchentliche Telefonate gehalten und das geplante, aber nicht mehr durchführbare eigenständige FSJ-Projekt durch ein anderes ersetzt. Alle bemühten sich, so gut wie möglich miteinander und an den Themen weiterzuarbeiten.
Die 5,5 Monate fehlen. Sie sind nicht zu wiederholen und auch nicht zu ersetzen. Ein positiver Ausblick ist jedoch, dass Clara auch in Zukunft an der Ev. Akademie Loccum Tagungen begleiten wird, sobald das wieder möglich ist. Gemeinsam reflektierten wir, wie sie den Abbruch ihres Freiwilligen Sozialen Jahres erlebte. Clara und drei weitere gestrandete Freiwillige schildern ihre Eindrücke.
„Normalzeit“
Clara Dehlinger. Im September 2019 begann mein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich Politik an der Evangelischen Akademie Loccum. Ich freute mich auf spannende Tagungen, viele neue Erkenntnisse und Gespräche mit interessanten Menschen. Ich durfte als Assistentin im Laufe der Monate 18 Veranstaltungen begleiten, die jede für sich einen großen Mehrwert für mich hatten. Als im Januar eine Praktikantin an die Akademie kam, hat alles noch einmal mehr Spaß gemacht und wir konnten als ein gutes Team gemeinsam den Akademiealltag kennenlernen und mitgestalten.
Mittendrin der Corona-Lockdown – wie wurde er erlebt?
Clara: Mitte März 2020 war auf einmal alles anders. Gerade hatte ich noch eine Veranstaltung begleitet und plötzlich war alles vorbei – gefühlt jedenfalls war der Übergang sehr abrupt. Alle geplanten Veranstaltungen, an deren Vorbereitung ich zum Teil beteiligt war, wurden abgesagt, Mitarbeiter*innen ins Homeoffice geschickt und der gesamte Tagungsbetrieb eingestellt. Ich fuhr erst einmal zu meinen Eltern und wartete im Austausch mit dem Kollegium ab, wie es weitergehen sollte. Aus dem „erst einmal“ wurden dann fast vier Monate, in denen ich die Akademie nicht mehr wiedersah.
Marvin Laesecke, Einsatzstelle Verband Christlicher Pfadfinderinnen – VCP Land Niedersachsen: Der Übergang war sehr abrupt, weil wir eigentlich am Wochenende vor den Schulschließungen noch unsere Landesversammlung gehabt hätten und diese spontan abgesagt wurde. Dann drehte sich viel um Statements verfassen, die Lage klären und schauen, dass ich mir mein Homeoffice irgendwie einrichten konnte. Zuhause hieß es dann Sachen umplanen, absagen und Alternativen finden.
Lea Horstmann, Einsatzstelle Gedenkstätte Esterwegen: Mit der Schließung der Gedenkstätte änderte sich mein Alltag sehr abrupt. Ich habe zwar noch einige Tage im Büro gearbeitet, musste dann aber auch ins „Home-Office“ umziehen. Die nächsten Wochen habe ich von meinem Schreibtisch daheim mit den Sachen, die ich auf die Schnelle zusammengepackt hatte, gearbeitet.
Malte Henken, Einsatzstelle Landesjugendring Niedersachsen: Ich verbinde hiermit jetzt die Frage „Was kommt nach dem FSJ?“ Ich werde Anfang September eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel beginnen. Diese Entscheidung war die sicherste, da Unis ja gerade länger brauchen für eine Rückmeldung.
Was wurde durch die Pandemie deutlich / hat mir aufgrund der Pandemie gefehlt?
Clara: Gerade am Anfang dieser langen Phase fiel es mir schwer zu realisieren, dass das FSJ jetzt eigentlich vorbei war. Ich war enttäuscht, dass mir die Vorfreude auf ein zweites Halbjahr voller spannender Veranstaltungen genommen wurde. Der regelmäßige Input aus verschiedensten Themengebieten und die Auseinandersetzung mit für mich zum Teil ganz neuen Ansätzen stellten mittlerweile einen großen, sehr bereichernden Teil meines Lebens dar, der auf einmal wegfiel. Und ich wollte doch so gerne mindestens 20 Tagungsassistenzen machen! Gefehlt haben mir auch der tägliche Austausch mit den Studienleiter*innen bei den Kaffeerunden und die Mittagessen mit netten Kolleg*innen aus anderen Arbeitsfeldern. Homeoffice funktioniert zwar gut, ist aber lange nicht so motivierend wie die Arbeit an der Akademie, wo eine direktere und persönlichere Interaktion möglich ist. Zum Glück gab es die weiterhin wöchentlich stattfindenden Sitzungen und Telefonate, durch die ich auf dem Laufenden gehalten wurde. Dadurch und durch Rechercheaufträge und andere kleine Aufgaben konnte das Gefühl, den Rest des FSJ-Jahres immer noch ein Teil der Arbeit an der Akademie zu sein, ein bisschen erhalten bleiben. Es war spannend zu sehen, wie eine Einrichtung wie die Akademie mit einer solchen Krise umgeht.
Marvin: Am Anfang, gingen die Absprachen und Treffen über Videokonferenzen noch ganz gut, aber die persönlichen Treffen mit den Kolleg*innen und anderen Ehrenamtlichen, haben definitiv gefehlt. Durch die Absage der ganzen Veranstaltungen fehlte auch viel Kontakt und Feedback mit den Mitgliedern.
Lea: Die Pandemie hat mir gezeigt, dass sich in einem relativ kurzen Zeitraum vieles drastisch ändern kann. Deshalb habe ich die Freiheiten, die ich vor der Pandemie hatte, umso mehr schätzen gelernt. Gefehlt haben mir vor allem Freunde, Kollegen, Familie, aber auch ein strukturierter Alltag.
Malte: Deutlich wurde mir, wie ignorant und egoistisch Menschen sein können, aber auch wie herzlich und aufgeschlossen. Wie schön es ist Familie zu haben. Gefehlt haben mir auf jeden Fall der Kontakt zu meinen Freunden und die abendlichen Treffen im Lieblingslokal, aber auch die Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit, welche ich begleitet hätte.
Nehme ich Positives aus der Corona-Zeit mit?
Clara: Nach der ersten Frustration habe ich gemerkt, dass ein wenig Entschleunigung auch mal ganz guttut und es bestimmt nicht schlecht ist, mich in Zeiten mit zwangsläufig wenig Arbeit den Dingen zu widmen, die mir auch noch wichtig sind. Ich habe Stunden im Wald verbracht, viel Kuchen gebacken und kann jetzt ein bisschen Gitarre spielen. Ich freue mich auf die Zeit, in der wieder Präsenzveranstaltungen an der Ev. Akademie Loccum stattfinden können, die ich gerne begleite.
Marvin: Als Positives nehme ich die viele Zeit mit der Familie bei mir mit und die kreativen Alternativen, die während Corona entstanden sind.
Lea: Ich nehme mit, dass sich für jede ungewohnte und einschränkende Situation eine Lösung finden lässt – auch, wenn diese nicht sofort auf der Hand liegt. Man muss nur kreativ werden und auch mal neue Wege gehen.
Malte: Homeoffice ist plötzlich eine gar nicht mehr so utopische Vorstellung und ich kenne jetzt so ziemlich jeden Videokonferenzanbieter…
In unserem Corona Blog schildern Studienleiter*innen der Akademie und der Akademie als Referent*innen verbundene Persönlichkeiten ihre Wahrnehmungen zur Coronakrise. Aus den verschiedenen interdisziplinären Arbeitsbereichen entsteht damit eine multiperspektivische Sicht, die in der Krise Orientierung bieten kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie die Akademie ihre Arbeit auf diese Ausnahmesituation anpasst.