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Univ.Doz. Dr. Beate Littig leitet am außeruniversitären postgradualen Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien die Einheit sozial-ökologische Transformationsforschung. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Umweltsoziologie, Nachhaltigkeit der Arbeitsgesellschaft, Praktiken der alltäglichen Lebensführung sowie Soziologie der Ethik.
Der Beitrag ist ursprünglich am 19. April im SozBlog der Universität Wien erschienen.
Auch wenn die Pandemie und der Shutdown noch nicht zu Ende sind, ist es jetzt schon an der Zeit, über die Zukunft einer nachhaltigen Arbeitsgesellschaft nachzudenken. Dies gebietet der Klimawandel ebenso wie die Digitalisierung und die wachsende soziale Ungleichheit. Ein Aufschieben anstehender Debatten können wir uns nicht mehr lange leisten.
Noch ist Alarmstufe Rot in der Pandemiebekämpfung, bei der so gut wie alle Regierungen der Welt zu bislang kaum fassbaren Maßnahmen greifen, Shutdowns und Ausgangsbeschränkungen verordnen, globale Wirtschaftsprozesse lahmlegen und die Arbeitslosenzahlen der formellen wie informellen Wirtschaft quasi über Nacht explodieren lassen. Vielerorts ist die Rede davon, dass die Welt – und vor allem auch die Arbeitswelt – nach der Corona-Krise völlig anders aussehen werde. Was das allerdings bedeuten kann, ist derzeit nicht abschätzbar. Denkbar sind sowohl Szenarien größerer sozialer Spaltung, nationaler Abschottung und einer langfristigen Einschränkung von Freiheitsrechten und digitaler Kontrolle einerseits und mehr soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität und Kooperation bei der Realisierung nachhaltiger Entwicklungsziele andererseits. Welches Szenario sich durchsetzen wird, hängt vom Verlauf der politischen Auseinandersetzungen über die Zukunft von Wirtschaft, Arbeit, Konsum, Demokratie, das Gesundheitssystem, der EU und vieles andere mehr ab. Ihr Ausgang mag ungewiss sein, geführt werden sie mit Sicherheit.
Die Pandemie und die politischen Reaktionen darauf verstärken jedenfalls Tendenzen, die es schon zuvor gab: die Digitalisierung der Arbeitswelt (- der privaten Lebenswelt und des Konsums), die globale Zunahme sozialer Ungleichheit vor allem im Hinblick auf Einkommen, Vermögen, Bildungs- und Jobchancen und Geschlecht sowie die schwierige internationale Kooperation nicht nur in der EU, sondern auch supranational. Ob sich durch die Krise die Einsicht durchsetzen wird, dass der soziale und wirtschaftliche Relaunch sowie die staatlichen Konjunkturpakete an den Prinzipien der Vorsorge und Resilienz und das hieße an einer sozial-ökologisch nachhaltigen Entwicklung orientiert werden müssen, ist fraglich. Dabei gibt es doch nach wie vor gültige Absichtserklärungen; allen voran die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (2015), die Pariser Klimaverträge (2015) und der europäische Green Deal (2019), die für eine zukunftsfähige Nachhaltigkeitspolitik umfangreiche Grundlagen bieten. Auch lokale Ansätze wie etwa die Wiener Smart-City-Rahmenstrategie (2019) sind nach Corona ja längst nicht hinfällig.
Im Zuge dieser Vereinbarungen kam in jüngerer Zeit erneut eine Diskussion über die Zusammenhänge von nachhaltiger Entwicklung und der Zukunft der globalen Arbeit(sgesellschaft) in Gang. Diskutiert werden dabei etwas grob gesprochen zwei unterschiedliche Ansätze zur Transformation gegenwärtiger Arbeitsgesellschaften: einerseits die Schaffung eines grünen Kapitalismus im Sinne grüner Vollerwerbsgesellschaften und andererseits der Übergang zu radikal sozial-ökologisch nachhaltigen Postwachstumsgesellschaften. Letztere gehen von einem erweiterten Arbeitsbegriff aus, der nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Care-, Eigenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement umfasst und die Neubewertung und Umverteilung von Arbeit, auch zwischen den Geschlechtern einschließt. Voraussetzungen dafür sind eine neue Vollerwerbsarbeitszeit (20-30h) für Alle sowie eine sozial-ökologische Steuerreform.
Nach den Erfahrungen der Corona-Krise müssen diese Ansätze nicht mehr so grundsätzlich als Entweder-Oder diskutiert werden. Nimmt man die Prinzipien der Vorsorge und Resilienz für die Schaffung nachhaltiger Arbeit ernst, so sind etwa die langjährigen frauenpolitischen Forderungen nach einer Aufwertung von Care-Arbeit und anderer sogenannter systemrelevanter Arbeiten mit entsprechenden Kollektivverträgen abzusichern. Die Konzepte für einen erweiterten Arbeitsbegriff bieten wichtige Diskussionsgrundlagen für eine Neubewertung und Neuorganisation gesellschaftlich notwendiger Arbeiten. Die krisenbedingte staatliche Bezuschussung von Unternehmen bietet die Möglichkeit, die Förderungen an eine konsequente Ökologisierung der jeweiligen Wirtschaftstätigkeiten zu knüpfen, auch für die globalen Zulieferer. Gleichzeitig müssten dabei die Interessen der ArbeitnehmerInnen (z.B. Umschulungen, erweiterte Transferleistungen) im Sinne einer „just transition“, eines gerechten Übergangs wie von den Gewerkschaften vertreten, berücksichtigt werden. Konjunkturpakete, die den Umstieg auf regenerative Energieträger, einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und nachhaltiger Mobilitätsformen sowie die thermische Sanierung von Gebäuden setzen, können zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Inwiefern die Zahl von Arbeitsplätzen auch durch eine neue, kürzere Vollerwerbsarbeitszeit – begleitet von einer sozial-ökologischen Steuerreform – gefördert werden kann, muss geprüft werden. Das Thema Arbeitszeitverkürzung ist ohnehin wegen der voranschreitenden Digitalisierung und Robotisierung hoch brisant; ebenso deren nachhaltige Regulierung.
Und nicht zuletzt muss im Sinne von Resilienz und Vorsorge die Qualität von Arbeitsplätzen gestärkt werden. Gesundheitserhaltung und -förderung durch Stressvermeidung, neue Arbeitszeitregelungen, Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit, eine gute Work-Life-Balance (nicht nur für Frauen) tragen jedenfalls zur Stärkung des Immunsystems und damit zur Abwehr zukünftiger Viren bei
Dies ist ein Beitrag im Rahmen des Blog-Projekts „Gemeinsam oder Einsam aus der Krise? Die Europäische Union am Scheideweg angesichts der Herausforderungen durch den Corona-Virus“. Erfahren Sie hier mehr über das Projekt!
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Sustainable work? Just because of the Covid 19 pandemic!
Univ.Doz. Dr. Beate Littig is head of the Social-Ecological Transformation Research Unit at the non-university Postgraduate Institute for Advanced Studies (IHS) in Vienna. Her research focuses on environmental sociology, sustainability of the working society, practices of everyday life and sociology of ethics.
The article was originally published on April 19 in the SozBlog of the University of Vienna
Even if the pandemic and the shutdown are not yet over, it is already time to start thinking about the future of a sustainable working society. This is required by climate change, digitalisation and growing social inequality. We cannot afford to postpone upcoming debates for much longer.
Almost all the world’s governments are still on red alert in the fight against the pandemic, with virtually all of them taking measures that are as yet elusive, imposing shutdowns and exit restrictions, paralysing global economic processes and causing unemployment figures in both the formal and informal economy to explode virtually overnight. In many places there is talk that the world – and above all the world of work – will look completely different after the Corona crisis. However, it is currently impossible to predict what this may mean. Conceivable scenarios include greater social division, national isolation and a long-term restriction of civil liberties and digital control on the one hand, and greater social justice, international solidarity and cooperation in achieving sustainable development goals on the other. Which scenario will prevail depends on the course of political debates on the future of the economy, labour, consumption, democracy, the health system, the EU and much more. Their outcome may be unknown, but they will certainly be conducted.
In any case, the pandemic and the political reactions to it reinforce tendencies that have already existed before: the digitalisation of the world of work (- private life and consumption), the global increase in social inequality, especially with regard to income, wealth, educational and job opportunities and gender, and the difficult international cooperation not only in the EU but also supranationally. It is questionable whether the crisis will lead to the realisation that the social and economic relaunch as well as the state economic stimulus packages must be oriented towards the principles of precaution and resilience, and that this would mean a social-ecologically sustainable development. However, there are still valid declarations of intent, above all the United Nations Sustainable Development Goals (2015), the Paris Climate Treaties (2015) and the European Green Deal (2019), which provide a comprehensive basis for a sustainable policy for the future. Local approaches such as the Vienna Smart City Framework Strategy (2019) are by no means obsolete after Corona.
In the course of these agreements, a new discussion has recently been launched on the links between sustainable development and the future of global labour (society). Roughly speaking, two different approaches to the transformation of current working societies are being discussed: on the one hand, the creation of a green capitalism in the sense of green full-time employment societies and, on the other hand, the transition to radically socio-ecologically sustainable post-growth societies. The latter are based on an expanded concept of work that includes not only gainful employment but also care work, self-employment and civil society involvement, and comprises the reassessment and redistribution of work, including between the sexes. The prerequisites for this are a new full-time working time (20-30 hours) for all and a social-ecological tax reform.
After the experiences of the Corona crisis, these approaches no longer need to be discussed in principle as either-or. If the principles of precaution and resilience for the creation of sustainable work are taken seriously, the long-standing demands of women’s policy for an upgrading of care work and other so-called system-relevant work must be safeguarded with appropriate collective agreements. The concepts for an expanded concept of work offer an important basis for discussion on the re-evaluation and reorganisation of socially necessary work. Crisis-related state subsidies for companies offer the possibility of linking the subsidies to a consistent greening of the respective economic activities, including for global suppliers. At the same time, the interests of the workers (e.g. retraining, extended transfer payments) would have to be taken into account in the sense of a „just transition“, a fair transition as represented by the trade unions. Economic stimulus packages that include the switch to renewable energy sources, an expansion of public transport and sustainable forms of mobility, and the thermal refurbishment of buildings can contribute to the preservation and creation of jobs. The extent to which the number of jobs can also be promoted by a new, shorter full-time working life – accompanied by a social-ecological tax reform – must be examined. The issue of reducing working hours is highly explosive in any case because of the advancing digitalization and robotization; the same applies to the sustainable regulation of these processes.
And last but not least, the quality of jobs must be strengthened in terms of resilience and precaution. Maintaining and promoting health by avoiding stress, new working time regulations, job and income security, a good work-life balance (not only for women) certainly contribute to strengthening the immune system and thus to defending against future viruses
Übersetzung Clara Dehlinger unter Verwendung von www.DeepL.com/Translator
This is a contribution to the blog project „Together or alone out of the crisis? The European Union at a crossroads in the face of the challenges posed by the corona virus“. Learn more about the project here!
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Un travail durable? Juste à cause de la pandémie Covid 19!
Beate Littig dirige l’unité de recherche sur la transformation socio-écologique à l’Institut universitaire supérieur (IHS) non universitaire de Vienne. Ses recherches portent sur la sociologie de l’environnement, la durabilité de la société de travail, les pratiques de la vie quotidienne et la sociologie de l’éthique.
L’article a été initialement publié le 19 avril dans le SozBlog de l’Université de Vienne
Même si la pandémie et la fermeture ne sont pas encore terminées, il est déjà temps de commencer à réfléchir à l’avenir d’une société de travail durable. Le changement climatique, la numérisation et l’inégalité sociale croissante l’exigent. Nous ne pouvons pas nous permettre de reporter les débats à venir plus longtemps.
Presque tous les gouvernements du monde entier sont encore en état d’alerte rouge dans la lutte contre la pandémie, où ils prennent des mesures qui sont encore presque impossibles à saisir, imposent des fermetures et des restrictions de sortie, paralysent les processus économiques mondiaux et font exploser les chiffres du chômage dans l’économie formelle et informelle pratiquement du jour au lendemain. Dans de nombreux endroits, on entend dire que le monde – et surtout le monde du travail – sera complètement différent après la crise de la Corona. Toutefois, il est actuellement impossible de prévoir ce que cela pourrait signifier. Les scénarios envisageables sont, d’une part, une plus grande division sociale, un isolement national et une restriction à long terme des droits de liberté et du contrôle numérique et, d’autre part, une plus grande justice sociale, une solidarité internationale et une coopération pour atteindre les objectifs de développement durable. Le scénario qui prévaudra dépend du cours des débats politiques sur l’avenir de l’économie, du travail, de la consommation, de la démocratie, du système de santé, de l’UE et bien plus encore. Leur résultat est peut-être incertain, mais ils seront certainement menés.
En tout état de cause, la pandémie et les réactions politiques qu’elle suscite renforcent des tendances qui existaient déjà auparavant : la numérisation du monde du travail (- vie privée et consommation), l’augmentation mondiale des inégalités sociales, notamment en matière de revenus, de patrimoine, de possibilités d’éducation et d’emploi et de genre, et la difficile coopération internationale non seulement dans l’UE mais aussi au niveau supranational. On peut se demander si la crise conduira à la prise de conscience que la relance sociale et économique ainsi que les plans de relance économique des États doivent être orientés vers les principes de précaution et de résilience, et que cela signifierait un développement socialement et écologiquement durable. Toutefois, il existe encore des déclarations d’intention valables, notamment les objectifs de développement durable des Nations unies (2015), les traités de Paris sur le climat (2015) et le „Green Deal“ européen (2019), qui constituent une base complète pour une politique durable à l’avenir. Les approches locales telles que la stratégie-cadre „Ville intelligente“ de Vienne (2019) ne sont en aucun cas obsolètes après Corona.
Dans le cadre de ces accords, une nouvelle discussion a récemment été lancée sur les liens entre le développement durable et l’avenir du travail mondial (société du travail). En gros, deux approches différentes de la transformation des sociétés de travail actuelles sont discutées : d’une part, la création d’un capitalisme vert au sens de sociétés vertes d’emploi à temps plein et, d’autre part, la transition vers des sociétés post-croissance radicalement durables sur le plan socio-écologique. Ces dernières sont fondées sur une conception élargie du travail qui inclut non seulement l’emploi rémunéré mais aussi le travail de soins, le travail indépendant et l’engagement de la société civile, et comprend la réévaluation et la redistribution du travail, y compris entre les sexes. Les conditions préalables sont un nouveau temps de travail à plein temps (20-30 heures) pour tous et une réforme fiscale socio-écologique.
Après les expériences de la crise de corona, ces approches n’ont plus besoin d’être discutées en principe comme soit/ou. Si les principes de précaution et de résilience pour la création d’emplois durables sont pris au sérieux, les demandes de longue date de la politique des femmes pour une amélioration du travail de soins et d’autres travaux dits pertinents pour le systéme doivent être garanties par des conventions collectives appropriées. Les concepts pour une définition élargie du travail offrent des bases de discussion importantes pour une réévaluation et une réorganisation des travaux socialement nécessaires. Les subventions publiques aux entreprises liées à la crise offrent la possibilité de lier les subventions à une écologisation cohérente des activités économiques respectives, y compris pour les fournisseurs mondiaux. Il convient d’examiner dans quelle mesure le nombre d’emplois peut également être favorisé par une nouvelle vie active à temps plein plus courte – accompagnée d’une réforme fiscale socio-écologique. La question de la réduction du temps de travail est en tout cas très explosive en raison des progrès de la numérisation et de la robotisation ; il en va de même pour la réglementation durable de ces processus.
Enfin, la qualité des emplois doit être renforcée en termes de résilience et de précaution. Le maintien et la promotion de la santé en évitant le stress, les nouvelles réglementations sur le temps de travail, la sécurité de l’emploi et des revenus, un bon équilibre entre vie professionnelle et vie privée (pas seulement pour les femmes) contribuent certainement à renforcer le système immunitaire et donc à se défendre contre les futurs virus.
Übersetzung Birgit Wolter unter Verwendung von www.DeepL.com/Translator
Ceci est une contribution au projet de Blog „Ensemle ou seuls pour sortir de la crise? L’Union européenne à la criosée des chemins face aux défis posés par le coronavirus“ Cliquez ici pour en savoir plus!