Editorial zur Druckausgabe des Halbjahresprogramms 2-2024
Liebe Freundinnen und Freunde
der Evangelischen Akademie Loccum,
blühende Landschaften, Menschen, die sich in den Armen liegen oder sonnen unter Palmen – das Umschlagmotiv unseres neuen Halbjahresprogramms scheint aus der Zeit gefallen. Die paradiesischen Zustände, die die Künstlerin Paula Riek hier ins Bild gebracht hat, stehen in starker Spannung zur Krise als gefühltem Dauerzustand. Welche aufgeklärte Zeitgenossin traut sich heute noch, sich als Optimistin zu outen? Auf dem schmalen Grat zwischen trotziger Zuversicht und gutgläubiger Naivität lässt sich schlecht balancieren. So sind Resignation einerseits, Eskapismus andererseits an der Tagesordnung.
Die Evangelische Akademie dagegen stellt sich auch im kommenden Halbjahr den Krisen, ohne sie kleinzureden: Der Nahost-Konflikt ist eine Tragödie, die sich bereits seit Jahrzehnten entwickelt und nun mit dem Terrorangriff der Hamas und der militärischen Antwort Israels einen schrecklichen Höhepunkt erlebt. Welche Auswirkungen hat dieser Konflikt auf Deutschland, etwa im Schulunterricht oder im Miteinander von Juden, Christen und Muslimen?
Deutschland befindet sich inmitten großer Veränderungen. Klimawandel und Migrationsbewegungen, die drastische Überalterung unserer Gesellschaft, der Investitionsstau, der durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz nur immer deutlicher hervortritt: Welche Innovationspolitik braucht unser Land, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern? Wie kann beispielsweise die Wärmewende als Schlüsselkomponente der Energiewende endlich gelingen? Und wie kann die gesellschaftliche Resilienz gestärkt werden?
Dazu gehört auch die Frage, welche Rolle Religion, Theologie und Kirche in dieser Gemengelage spielen. Die evangelischen Kirchen in Deutschland mussten in diesem Jahr erkennen, dass sexualisierte Gewalt auch in allen Teilen ihrer Organisation ein großes Problem darstellt. Die Intransparenz von Machtstrukturen gilt als eine wesentliche Ursache hierfür. Eine Werkstatt-Tagung will für mehr Macht-Transparenz innerhalb der Kirchen sorgen. Eine andere schaut auf den Zusammenhang von Glauben und Glück.
Denn: In allen Erschütterungen versuchen wir als Evangelische Akademie die Hoffnung hochzuhalten, dass eine andere Welt möglich ist. „Hoffnung lässt nicht zuschanden werden …“: Als neue Akademiedirektorin habe ich mir diesen Vers aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom für den Einführungsgottesdienst in mein Amt gewünscht. Hoffnung, so meint die französische Philosophin Corinne Peruchon, sei das Gegenteil von Optimismus. Eine Kraft, die uns zuwächst, wenn wir durch Dunkel und Verzweiflung hindurchgegangen sind und spüren: Es lichtet sich.
In diesem Geiste versuchen wir zu arbeiten. Die paradiesischen Zustände im Sinn und die Gießkanne fest in der Hand. Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie, diskutieren Sie mit! Teilen und nähren Sie Ihre Hoffnung.
Ihre Prof. Dr. Julia Koll, Akademiedirektorin
Das aktuelle Halbjahresprogramm 2-2024 als PDF
Das Halbjahresprogramm 1-2024 als PDF