Die Grundsicherung für Arbeitssuchende zwischen Fortentwicklung und Generalrevision
18.11.2019 - 19.11.2019
Um das SGB II ist eine neue Grundsatzdebatte entbrannt: Sollten wir es „hinter uns lassen“, einer Generalrevision unterziehen oder weiterentwickeln? Wo besteht konkret Handlungsbedarf? Welche veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen berücksichtigt werden? Die Frage, wie das „Fördern und Fordern“ neu austariert und konkret umgesetzt werden kann, wird auf dieser Tagung zwischen Politik, administrativer Praxis und gesellschaftlichen Gruppen diskutiert.
Unter dem Titel „Hartz 4.0?“ diskutierten knapp 100 Fachleute vom 18. bis 19. November 2019 die Frage, ob die Grundsicherung für Arbeitssuchende einer Fortentwicklung oder einer Generalrevision bedarf. Besondere Aktualität hatte die Veranstaltung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Sanktionen im SGB II bekommen, das knapp zwei Wochen zuvor ergangen war.
Die Sanktionen standen denn auch im besonderen Fokus der Diskussionen. Erwartungsgemäß gab es ein breites Spektrum von Meinungen zum Thema. Einigkeit bestand allerdings darin, dass der Gesetzgeber dringend aufgerufen ist, die Rechtsunsicherheit, die durch das Urteil entstanden ist, das sich auf nur wenige der Sanktionstatbestände bezieht, durch ein schnelles Handeln zu beseitigen. Leidtragende könnten sonst die Leistungsberechtigten ebenso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sein. Auch wäre mit einer steigenden Anzahl von Klagen zu rechnen.
Über die Frage der Sanktionen hinaus wurden Überlegungen begrüßt, das Verhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentern künftig kooperativer zu gestalten, auch wenn darauf hingewiesen wurde, dass es diesbezüglich schon heute eine große Spannbreite gibt.
Forderungen, den Übergang ins SGB II für diejenigen weniger abrupt auszugestalten, die lange Jahre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, wurden kontrovers diskutiert. Schließlich hat die Einführung des SGB II zu der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt und zur Halbierung der Arbeitslosenzahlen beigetragen, auch wenn der Umfang dieses Beitrags umstritten ist. Allenfalls die Überlegungen des Bundesarbeitsministeriums, eine zweijährige Karenzzeit hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnung einzuführen, um Menschen Gelegenheit zu geben, sich auf die Arbeitssuche konzentrieren zu können, stießen auf breitere Zustimmung, auch wenn vor der Entstehung neuer Ungerechtigkeiten gewarnt wurde.
Stärkere Bemühungen wurden hinsichtlich der Qualifizierung von Arbeitssuchenden angemahnt. Diese betreffen auch weitergehende Unterstützung des (berufsspezifischen) Spracherwerbs von Flüchtlingen im Leistungsbezug des SGB II.
Positiv wurde der seit Jahresbeginn bestehende „Soziale Arbeitsmarkt“ bewertet. Trotz der sehr kurzfristigen Vorlaufzeit laufen die Maßnahmen gut an. Erfreulich ist auch, dass auch Unternehmen über die Erwartungen hinaus Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, was vielleicht aber auch als Indiz für eine sehr großzügige Förderung gewertet werden kann. Ebenfalls sehr positiv wurde die Möglichkeit bewertet, durch den „Sozialen Arbeitsmarkt“ eingesparte Leistungen zum Lebensunterhalt für aktive Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zu nutzen. Nach gerade einmal zehn Monaten bleiben allerdings naturgemäß noch viele Fragen offen. Diesen Fragen wird die Evangelische Akademie Loccum vom 5. bis 6. März 2020 in einer weiteren Tagung nachgehen.
Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum
Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor, Institut Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB, Nürnberg
Dr. Matthias Schulze-Böing, Geschäftsführer, MainArbeit Kommunales Jobcenter Offenbach und Leiter, Amt für Arbeitsförderung, Statistik und Integration, Stadt Offenbach
Dr. Marie-Claire Senden, Leiterin, Referat Grundsatzfragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Dr. Irene Vorholz, Beigeordnete für Soziales und Arbeit, Deutscher Landkreistag, Berlin
Johannes Jakob, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik, DGB Bundesvorstand, Berlin
Johannes Jakob, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik, DGB Bundesvorstand, Berlin
Armin Mittelstädt, Amtsleiter, Kommunale Arbeitsförderung Ortenaukreis, Offenburg
Andrea Grimm, Evangelische Akademie Loccum
Bernd Nothnick, Leiter, Referat Arbeits- und Beschäftigungsförderung, Berufliche Qualifizierung, Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Hannover
Dominik Schad, Geschäftsführer, Vestische Arbeit, Jobcenter Kreis Recklinghausen
Ines Nössler, Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. EFAS, Stuttgart
Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Arbeit und Wirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Dr. Matthias Schulze-Böing, Geschäftsführer, MainArbeit Kommunales Jobcenter Offenbach und Leiter, Amt für Arbeitsförderung, Statistik und Integration, Stadt Offenbach
Prof. Dr. Ursula Rust, Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht bigas, Fachbereich Rechtswissenschaften, Universität Bremen
Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum
Dr. Marie-Claire Senden, Leiterin, Referat Grundsatzfragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Michael Stier, Geschäftsführer Jobcenter Region Hannover
Petra Kaps, ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung, Berlin
Dr. Holger Schütz, Senior-Projektleiter/Sozialwissenschaftler, infas Institut für Angewandte Sozialforschung, Paderborn
Prof. Dr. Jürgen Schupp, Vize-Direktor, SOEP Sozio-oekonomisches Panel, DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin
Pascal Kober, MdB, Sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und deren Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Berlin/Reutlingen
Dr. Matthias Bartke, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Berlin/Hamburg
Beate Müller-Gemmeke, MdB, Sprecherin Arbeitnehmerrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Berlin/Reutlingen
Dr. Jürgen Wuttke, Abteilungsleiter Arbeitsmarkt, BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Berlin
Dr. Marie-Claire Senden, Leiterin, Referat Grundsatzfragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Johannes Pfeiffer, Geschäftsführer Operativ, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, Bundesagentur für Arbeit, Hannover
Ines Nössler, Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. EFAS, Stuttgart
Michael Stier, Geschäftsführer Jobcenter Region Hannover