Aktuelle Einschätzungen und Perspektiven für die französisch-deutschen Beziehungen
Online-Veranstaltung der Evangelischen Akademie Loccum, Antenne Métropole und der Deutsch- Französischen Gesellschaft Hannover
17.03.2022
Am 10. April 2022 steht die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen an. Auch wenn die französische Wirtschaft nach der Coronakrise des vorletzten Jahres einen rasanten Aufholprozess begonnen hat, geben Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft für viele Menschen Anlass zur Sorge. Die politische Debatte hingegen wird dominiert von den Themen Sicherheit, Migration und politischer Islam. Hier ist das „Rassemblement National“ von Marine Le Pen, die seit einigen Jahren um ein moderateres Erscheinungsbild bemüht ist, um auch für gemäßigt Konservative wählbar zu werden, von Éric Zemmour rechts überholt worden. Als lachende Dritte des Streits am rechten Rand könnte die Republikanerin Valérie Pécresse in eine Stichwahl gegen Präsident Macron einziehen, dem auch angesichts der Zerstrittenheit der Linken, ebenfalls gute Chancen eingeräumt werden. Das von ihm – oft vergeblich – forcierte Thema der Europäischen Verteidigungspolitik hat mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine traurige Aktualität gewonnen. Dies lenkt den Blick darauf, dass französische Präsidentschaftswahlen immer auch ein wichtiges Datum für die französisch-deutschen Beziehungen und die Europapolitik insgesamt sind.
Das Thema diskutierten 50 Teilnehmende mit Professor Stark, der zunächst einen Einblick in den aktuellen Stand der Umfragen gab und die Profile der Kandidatinnen und Kandidaten vorstellte. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat dazu geführt, dass die beiden rechtsextremen bzw. rechtspopulistischen Kandidat:innen aufgrund ihrer Nähe zum russischen Präsidenten Putin, deutlich an Zustimmung verloren haben. Valérie Pécresse scheint mir ihrer schwankenden Haltung gegenüber den Themen der extremen Rechten, Unterstützung im bürgerlichen Lager verspielt zu haben, das den liberalen Wirtschaftsreformen Macrons ohnehin positiv gegenüber steht. Dessen Chancen, in die Stichwahl einzuziehen, sind hoch, auch weil sich das politische Spektrum zu seiner Linken zersplittert darstellt.
Dass in den Umfragen dennoch rund 50% der Stimmen auf rechts- oder linkspopulistische Kandidat:innen entfallen, gibt Anlass zur Sorge, auch wenn zu vermuten steht, dass die schwierige sozioökonomische Lage breiter Bevölkerungsschichten zu diesen Umfragewerten beiträgt. Präsident Macron hat daher in seinem wenige Stunden vor der Veranstaltung vorgestellten Wahlprogramm Maßnahmen angekündigt, die diese soziale Situation adressieren.
Im Falle einer – aufgrund des Mehrheitswahlsystems nicht unwahrscheinlichen – Wiederwahl dürfte Präsident Macron, der seit Jahren für eine stärkere europäische Sicherheitskooperation geworben hat, seinen europapolitischen Kurs fortsetzen. Die Bereitschaft der europäischen Partner Frankreichs, auf dieses Werben einzugehen, dürfte mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich gewachsen sein.
Laure Dréano-Mayer, Antenne Métropole
Prof. Dr. Hans Stark, Sorbonne Université, Paris
Moderation: Dr. Joachim Lange, Evangelische Akademie Loccum
Dauer der Veranstaltung ca. 75 Minuten