Eine „Werkstatt“ als Auftakt
Zur Tagung „Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung“ gab es eine umfangreiche Berichterstattung in den Medien. In der „Eule“, einem renommierten Magazin für Kirche, Politik und Kultur gab es folgenden längeren Bericht unter der Überschrift „Eine Werkstatt als Auftakt“. Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Soll der Kulturwandel gelingen, braucht es mehr dieser Begegnungen.“ Hier können Sie den vollständigen Bericht lesen.
Sexualisierte Gewalt: Evangelische Kirche kommt endlich voran
In der „Evangelischen Zeitung für Niedersachsen“ wurde ebenfalls über die Tagung unter dem Titel „Sexualisierte Gewalt: Evangelische Kirche kommt endlich voran“ berichtet. Hier können Sie den Bericht lesen.
Kirchenvertreter beraten über nächste Schritte bei Aufarbeitung
Bericht der Evangelischen Presssedienstes (epd)
Loccum/Kr. Nienburg (epd). Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirche und der Diakonie wollen sich an diesem Wochenende bei einer Fachtagung in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg über die nächsten Schritte bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen austauschen. Unter dem Titel „Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung“ werden dazu von Freitag bis zum Sonntag (12. bis 14. April) rund 65 Teilnehmende erwartet, wie Studienleiter Christian Brouwer am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Unter ihnen sind mehrere Betroffene sowie der hannoversche Landesbischof Ralf Meister und Diakonie-Vorstand Jens Lehmann.
Anlass ist die Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie, die Ende Januar in Hannover präsentiert wurde. Der unabhängige Forschungsverbund ForuM hatte für die Studie im Auftrag der EKD mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte ermittelt. Die tatsächliche Zahl liegt laut den Forschern deutlich höher. Der Leiter der Studie, der Sozialwissenschaftler Professor Martin Wazlawik von der Hochschule Hannover, wird die Ergebnisse zum Beginn der Loccumer Tagung zur Diskussion stellen.
Fälle von sexualisierter Gewalt stellten auch in der evangelischen Kirche und der Diakonie ein großes Problem dar, schreibt Brouwer im Tagungsprogramm: „Völlig offensichtlich ist, dass die Glaubwürdigkeit von protestantischen Kirchen und Diakonie für die Zukunft an Ernsthaftigkeit und Erfolg ihrer Aufarbeitungsbemühungen hängt.“ In den vergangenen Jahren seien bereits Kommissionen und Fachstellen eingerichtet und Schutzkonzepte etabliert worden. Dies müsse nun ausgebaut werden: „Entscheidend ist, dass wir ernsthaft ins Handeln kommen.“
Missbrauch in der Kirche: Betroffener sieht „erste Lernfortschritte“
Loccum/Hannover (epd). Der Sprecher der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie, Detlev Zander, sieht in der hannoverschen Landeskirche „erste Lernfortschritte“ bei der Aufarbeitung. Mit Blick auf eine am Wochenende anstehende „Werkstatt Aufarbeitung“ in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg sagte Zander im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Tagungen wie diese zeugen von dem Anliegen, das Thema endlich umfassend und auf allen Ebenen von Kirche und Diakonie anzugehen.“
Um aber Prävention und vor allem Aufarbeitung wirklich glaubhaft und erfolgreich vorantreiben zu können, bedürfe es eines größeren Engagements der Kirchenleitung. „Vor allem von Bischof Meister erwarte ich, dass er seiner Führungsrolle gerecht wird und das Thema Missbrauch zur Chefsache Nummer Eins macht“, sagte Zander. Am Freitag (12. April) diskutiert er zum Auftakt der Loccumer Tagung gemeinsam mit seiner Co-Sprecherin Nancy Janz mit dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister sowie dem Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke.
Zander würdigte, dass Meister sich dafür stark mache, dass das Thema sexualisierte Gewalt beim Kirchentag 2025 in Hannover eine wichtige Rolle spielen werde. „Ähnliches Engagement erwarte ich jetzt bei der Aufarbeitung vergangener Fälle. Ich erwarte, dass die Landeskirche lupengenau ermittelt, wie viele Fälle vertuscht und verschleppt oder inadäquat bearbeitet wurden und wer genau dafür Verantwortung trägt.“
Gerade dieser Teil der Aufarbeitung sei „unangenehm, aber unvermeidbar“, wenn Kirche Glaubwürdigkeit und moralische Integrität zurückgewinnen wolle, sagte Zander. Zudem sei eine „ehrliche Bestandsaufnahme aller Versäumnisse“ auch entscheidend, um über angemessene Anerkennungszahlungen für die Betroffenen reden zu können.
Der Betroffenensprecher sagte, für Menschen, die im Raum der Kirche sexuelle Gewalt erfahren hätten, sei es eine „unglaublich schwierige und schmerzhafte Erfahrung“, sich mit dem Erlittenen auseinanderzusetzen und damit an die Kirche und die Öffentlichkeit heranzutreten. „Wir haben uns dem ausgesetzt und uns weiterentwickelt – nicht weniger erwarten wir von der evangelischen Kirche.“
Mit Blick auf die unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommissionen, die derzeit geschaffen werden, um die Aufarbeitung auf Ebene der Landeskirchen voranzutreiben, betonte Zander, dass es „eine anspruchsvolle Aufgabe“ sei, Betroffene für die Mitarbeit zu gewinnen. „Viele sind verständlicherweise komplett auf Distanz zur Kirche gegangen. Andere würden es vermutlich nicht packen, neben Profis wie Richtern und Politikern in einer solchen Kommission zu bestehen.“
Dennoch müssten „die Stimme und die Anliegen der Betroffenen leitend für den weiteren Aufarbeitungsprozess“ bleiben. Zander forderte, dass den Betroffenen in den Kommissionen etwa in juristischen Fragen oder in Kommunikationsfragen professionelle Unterstützung zur Verfügung stehen müsse, „um Augenhöhe herzustellen“.
Betroffenenvertreter verlangen mehr Entschlossenheit bei Aufarbeitung
Zander appelliert an Landesbischof Meister: Aufgabe nicht wegdelegieren
Bericht der Evangelischen Presssedienstes (epd)
Loccum. Missbrauchsbetroffene haben von der evangelischen Kirche mehr Kommunikation und mehr Entschlossenheit bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt verlangt. Das Thema müsse bis in die kleinste Kirche hineingebracht werden, sagte der Betroffenenvertreter Detlev Zander am Wochenende in Loccum bei Nienburg bei einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der hannoverschen Landeskirche, unter ihnen Landesbischof Ralf Meister. Eindringlich mahnte Zander: „Jetzt seid Ihr dran. Wir haben euch unsere Geschichten gegeben. Macht was draus!“
Zander appellierte auch direkt an Bischof Meister: „Es gehört zu Ihren Aufgaben, das nicht wegzudelegieren. Sie müssen da Ihre Hand drüber halten.“ In der evangelischen Kirche gebe es viele junge Pastorinnen und Pastoren, die Prävention und Aufarbeitung voranbringen wollten, sagte der Betroffenensprecher, der zum Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie gehört. Sie würden aber häufig ausgebremst. „Ihnen möchte ich den Rücken stärken.“ Die Landeskirchen müssten für diese Aufgaben Ressourcen schaffen und Geld in die Hand nehmen.
Bischof Meister sagte, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt erfordere in der evangelischen Kirche neben strukturellen Veränderungen eine Art Kulturwandel. So müsse sich die Kirche von falschen Idealvorstellungen verabschieden. Es werde Zeit brauchen, dies zu verändern: „Das ist eine Auseinandersetzung, die nicht in einer halben Generation erledigt ist.“ Wenn der evangelischen Kirche zudem eine strukturelle „Verantwortungsdiffusion“ vorgeworfen werde, wie dies die Autorinnen und Autoren einer Studie täten, so müsse nun analysiert werden, wo genau sich die Diffusion finde.
Persönlich sagte der Landesbischof: „Natürlich fühle ich mich schuldig – schuldig für das, was in der Vergangenheit in der Kirche geschehen ist.“ Zwar tue die evangelische Kirche inzwischen viel gegen sexualisierte Gewalt, doch Meister räumte ein: „Es reicht vorne und hinten noch nicht.“ Die Podiumsdiskussion war Teil einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum unter dem Titel „Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung“.
Die Betroffenenvertreterin Nancy Janz wies darauf hin, dass Aufarbeitung und Prävention erst durch das Engagement der Betroffenen in Gang gekommen sei: „Wenn es uns nicht gegeben hätte, würden die evangelische Kirche und die Diakonie heute nicht hier sitzen.“ Die Betroffenen hätten auch gegen mancherlei Widerstände ankämpfen müssen, sagte Janz, die ebenfalls dem Beteiligungsforum angehört. Es sei wichtig, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen: „Sie haben noch mal eine ganz andere Perspektive.“
Die für Bildung zuständige Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track sagte, die Kirche stehe in der Arbeit mit jungen Menschen zurzeit unter großen Druck. „Wir müssen damit umgehen, dass die Leichtigkeit aus der Jugendarbeit ein Stück heraus ist, weil dieses Thema immer mitschwingt.“ Die hannoversche Landeskirche habe rund 10.000 ehrenamtliche Jugendmitarbeiter. Diese müssten alle regelmäßig zum Umgang sexualisierter Gewalt geschult werden, ohne dass die Freude an der Jugendarbeit verloren gehe. Gäfgen-Track resümierte: „Wir müssen den Druck aushalten und weiterarbeiten.“
Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, plädierte für ein verlässliches Meldesystem. Es sei notwendig, dass die einzelnen sozialen Mitgliedseinrichtungen dem Dachverband der Diakonie Fälle von sexualisierter Gewalt verbindlich mitteilten. So habe es vor einiger Zeit einen Mitarbeiter gegeben, der alle zwei Jahre die Stelle gewechselt und an jedem neuen Ort erneut Missbrauch begangen habe. „Das könnte auffallen, wenn wir ein Meldesystem hätten. Wir werden versuchen, es zu etablieren.“ Die Fachtagung läuft noch bis zum Sonntag.