Erste Sondierungen zu einer dringlichen Aufgabe
30.08.2024 - 31.08.2024
Von Macht ist in der Kirche selten die Rede, mit Bezug auf das Neue Testament wird vor ihr gewarnt oder sie bewusst verschwiegen. Nicht zuletzt die Missbrauchsfälle haben allerdings das Bewusstsein dafür geschärft, dass Macht ein nicht zu unterschätzender Faktor im innerkirchlichen Handeln ist. Diese Werkstatt-Tagung will einen Beitrag dazu leisten, die Aufmerksamkeit für Figurationen der Macht in der Kirche zu schärfen und Machtstrukturen sowie -dynamiken transparenter zu gestalten.
Presseveröffentlichungen
Im Zusammenhang mit dieser Tagung interviewte die Tageszeitung taz Dr. Christian Brouwer. Unter dem Titel „Man tut so, als würde hier niemand Macht haben“ ist das Interview erschienen.
Auch der Evangelische Pressedienst und die Landeskirche Hannovers berichteten hiere über die Tagung.
Der Evangelische Pressedienst führte zudem ein Interview am Rande der Tagung mit Prof. Dr. Jan Hermelink vom Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Göttingen. Daraus ging folgender Bericht hervor:
Theologe fordert Reflexion über geistliche Macht
Loccum, Göttingen. Der Göttinger Theologieprofessor Jan Hermelink hat sich mit Blick auf sexualisierte Gewalt in der Kirche für eine vertiefte Reflexion über geistliche oder religiöse Macht ausgesprochen. „Die Beziehung zum Unbedingten oder eben zur Seele, die läuft immer mit, wo Menschen in der Kirche miteinander zu tun haben. Das lädt alle Beziehungen und auch alle Machtbeziehungen auf eine bestimmte Weise auf. Das macht das Leben in der Kirche besonders, und mitunter auch besonders gefährlich“, sagte Hermelink dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande einer Tagung der Akademie Loccum zum Thema „Transparente Macht in der Kirche“.
In der Pastorenausbildung und in Fortbildungen für Kirchenvorsteher werde der verantwortliche Umgang mit geistlicher Macht bereits thematisiert, sagte der Theologe. „Es müsste aber noch klarer werden, inwieweit sexualisierte Gewalt mit religiöser Macht, also mit dem Kern kirchlicher Arbeit zu tun hat.“ Zwar spiele auch in kirchlichen Missbrauchsfällen pädagogische Macht und die Macht dichter persönlicher Beziehungen eine Rolle, wie etwa in Schulen oder Sportvereinen. „Das entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung, die besonderen Gefahren und Versuchungen geistlicher Macht in den Blick zu nehmen.“
Hierfür könne die evangelische Kirche aus ihren ureigenen Quellen schöpfen, betonte Hermelink. „Die evangelische Kirche ist gewissermaßen aus Martin Luthers Kritik an der Macht der Priester hervorgegangen.“ Das von Luther geforderte „Priestertum aller Getauften“ bedeute, dass jeder Christ sein Leben, auch sein Leben mit Gott selbstständig gestalten könne und die Macht von Pfarrern oder Religionslehrern entsprechend begrenzt sei. Darum sei es schon Jesus mit seiner Kritik an den religiösen Autoritäten gegangen.
Positiv würdigte Hermelink die Anstrengungen der hannoverschen Landeskirche um Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt in den letzten zehn Jahren. Trotz diverser Versäumnisse zeigten die Verantwortlichen in der Kirchenleitung und im Landeskirchenamt ein hohes Problembewusstsein, auch in rechtlicher Hinsicht. Dies zeige sich etwa an den von der Landeskirche etablierten Aufarbeitungsverfahren und verschiedenen Ansprechstellen. Die Kirche sei „insgesamt auf einem ziemlich guten Weg“.
Prof. Dr. Michael Klessmann, emeritierter Professor für Praktische Theologie, Kirchliche Hochschule Wuppertal
Austausch der Teilnehmenden
Prof. Dr. Jan Hermelink, Lehrstuhl für Praktische Theologie, Universität Göttingen
Dr. Ricarda Schnelle, Studienleiterin, Akademie für Kirche und Diakonie, Berlin
Dr. Matthias Kannengießer, Präsident der Landessynode, Hannover (angefragt)
Dr. Jens Lehmann, Präsident des Landeskirchenamts Hannover
- Seelsorge (Angela Grimm, Direktorin des Zentrums für Seelsorge und Beratung, Hannover)
- Jugendarbeit (Miriam Heuermann, Landesjugendpastorin, Hannover)
Thesen zu einem längst überfälligen Kulturwandel
Sonja Thomaier, wissenschaftlicher Mitarbeitende (Uni Hildesheim) und Pfarrperson i.E, Queersensible Seelsorge, Hannover
Susanne Paul, Landespastorin für die Arbeit mit Frauen* (Evangelische Frauen*), Hannover
Abschließender Austausch der Teilnehmenden